Rechtsanwalt und Strafverteidiger

 

Björn Schüller

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PIMA Bremen und die THC COOH Werte: Leute, so schwer ist das nun wieder auch nicht mit der Logik

Die PIMA Bremen wird von mir eigentlich immer empfohlen. Die machen zwar auch die bei Gutachterstellen üblichen (und sich stets wiederholenden) Fehler - aber meistens sehen sie das auch ein und stellen das ab, wenn man freundlich fragt.

 

An der Sturheit mancher PIMA Prüferinnen kommt man aber trotzdem nicht vorbei, ohne mal ein paar klare Worte zu verlieren.

 

Die Sachlage ist dieses mal wie schon so oft folgende:

 

Ein Mandant wurde beim Führen eines KFZ unter Wirkung von THC erwischt.

 

Blutwerte 5,3 ng/ml THC und 72 ng/ml THC COOH (und nicht g/ml wie die PIMA schrieb - hoffe ich jedoch stark!).

 

Wie schon öfter beschrieben, kann unter dem Wert von 100 ng/ml THC COOH keine klare Aussage über das Konsummuster getroffen werden. Ob einmaliger oder gelegentlicher Konsum vorlag, kann also aus einem Wert von 72 ng/ml THC COOH nicht abgeleitet werden.

 

Warum?

 

Weil wissenschaftlich bewiesen ist, dass durch einen Probierkonsum eben Werte von mindestens 100 ng/ml THC COOH (oder höher!) erreicht werden können.

 

Und dann bringt all das beliebte Lamentieren nichts, dass Daldrup das ab 10 ng/ml annimmt. Die weitestgehende Forschung bildet dann die Richtschnur. Es sei denn, man nimmt es mit der lästigen Pflicht zur wissenschaftlichen Arbeit nicht ganz so ernst. 

 

Ist auch einfacher, aber eben halt ziemlich unsauber. Und für wissenschaftlich sauberes Arbeiten bezahlen die Klienten die Begutachtungsstellen. 

 

Das Argumentationsmuster ist dann immer gleich (und hat mit Akquise -das wissen wir Klosterbrüder und Klosterschwestern-) natürlich gar nichts zu tun...

 

Mein Mandant schilderte bei dem ärztlichen Gutachten dann seinen Einmalkonsum. Wie wir wissen, ist das wissenschaftlich nicht widerlegbar, da eben ein Wert unter 100 ng/ml THC COOH vorliegt. Selbst mathematisch nicht so sehr bewanderte Personen sollten das nachvollziehen können. 

 

Es könnte alles so einfach sein. Ist es aber nicht

 

Die Gutachterin (hauptberuflich in der Homöopathie zuhause, also Grenzwissenschaftlerin) kommt im Ursprungsgutachten zu folgenden Schluss: 

 

Beim Klient liegt zur Zeit kein Cannabis Konsum vor, der die Fahreignung in Frage stellen kann.

 

Und dann kommt der hübsche und etwas gemeine (und oft folgenreiche) Zusatz:

 

Wegen der Widersprüchlichkeit der Angaben des Klienten (Einmalkonsum) zu den Laborbefunden (THC COOH = 72 ng/ml) könne die Gutachterin keine Einschätzung bezüglich des Konsummusters am Tag der Fahrt unter Wirkung abgeben. 

 

Nice. 

 

Die Gutachterin konstruiert hier einen vermeintlichen Widerspruch. Wir erinnern uns noch? Einfache Formel: THC COOH kleiner 100 = mehr als Einmalkonsum nicht nachweisbar (es sei denn, ein Verstoß gegen die 6 Stunden Regel liegt vor).

 

Dazu muss man folgendes wissen: Für die Begutachtungen der Gutachterstellen gilt bindend dieses Regelwerk: Die Beurteilungskriterien.

 

Demnach müssen die bei der Begutachtung erhobenen Befunde verwertbar sein (Hypothese 3.3.1 "Verwertbarkeit der Befunde").

 

Nach Kriterium 0.4 zu dieser Hypothese dürfen die Angaben des Klienten nicht dem gesicherten Erfahrungswissen, den wissenschaftlichen Erkenntnissen und/oder der Aktenlage widersprechen (Beurteilungskriterien, S. 97). 

 

Sonst ist das (und hier kommen wir wohl oder übel wieder zum Thema Akquise) Gutachten nicht verwertbar und die Führerscheinstelle wird dann regelmäßig eine MPU anordnen. Und wer profitiert davon? Lass mal überlegen...

 

Warum ordnet die Behörde dann eine MPU an?

 

Weil die Eignungszweifel nicht ausgeräumt wurden. Deshalb. 

 

Und deshalb finde ich es gelinde gesagt etwas sonderbar, wenn die Gutachterstelle ein Widerspruch nach Kriterium 0.4 (=Aussage Probierkonsum passt angeblich nicht zu 72 ng/ml THC COOH) einfach konstruiert. Sie weiß, dass  mehr als ein Probierkonsum nicht nachweisbar ist und lässt den eigenen Klienten sehenden Auges in die MPU laufen? 

 

Klar kann man jetzt sagen: Kann ja mal passieren. Habe mich vertan. Falsch hingeguckt.

 

Klar kann das mal zufällig passieren, wenn man von der Materie keine Ahnung hat. Aber das sollte doch bei Gutachtern eher nicht der Fall sein. Also entweder die Frau hat keine Ahnung (oder zu wenig) oder weiß es besser und handelt absichtlich zum Nachteil des eigenen Klienten.

 

Beides fragwürdig. 

 

Das richtige Ergebnis des Gutachtens müsste auf wissenschaftlicher Grundlage dann lauten:

 

"Mehr als ein einmaliger Konsum ist den Mandanten nicht nachzuweisen":

 

Das wäre das Ergebnis objektiven Handelns und neutraler Haltung. 

 

Stattdessen heißt es in der auf meinen Vortrag korrigierten Version des Gutachtens:

 

"Seinen Angaben zufolge lag am Tag der aktenkundigen Verkehrsauffälligkeit ein einmaliger Cannabiskonsum vor".

 

Da wird also schön weiter relativiert, dass sich die Balken biegen. Darüber kann sich jeder seine eigene Meinung bilden. Der Probierkonsum basiert AUCH auf den Aussagen des Klienten, aber eben auch auf den entsprechenden wissenschaftlichen Erkenntnissen hierzu.

 

Ich habe eine nochmalige Überarbeitung angeregt von der Gutachterin, die sonst Globuli Expertin ist. Vielleicht hat sie ja noch ein paar Zuckerkugeln, die logisches Denken und Fairness fördern. Wünschenswert wäre das. 

 

 

Altes Gutachten:

 

 

 

 

Neues Gutachten:

So. Auf freundlichen Hinweis, dass der einmalige Konsum nicht aus den Aussagen des Mandanten sondern aus der Befundlage ergibt, erhielt ich nunmehr die zweite Korrektur. Korrekturketten kommen öfter mal vor. Rekord ist hier, dass ich erst die 5. Korrektur als passend akzeptiert habe. Das war aber nicht die PIMA, sondern eine süddeutsche Gutachtenstelle (ausnahmsweise nicht der TüV). 

 

Manchmal wundert es einen nicht, dass Gutachter und Juristen sich nicht mögen.

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Kommentare: 3
  • #1

    Paketfahrer (Donnerstag, 14 Juni 2018 11:36)

    Also wenn man das so liest, dann scheint die Meinung des Stammtisches zu den Begutachtungsstellen wohl teilweise gar nicht so falsch zu sein. Wenn das tatsächlich absichtlich passiert, dann ist das eine ziemlich feist. Können Sie sowas öfter beobachten, Herr Schüller?

  • #2

    Geschädigter (Donnerstag, 14 Juni 2018 19:10)

    Bei so relevanten Verstößen sollte doch die Eignung des Gutachters in Frage gestellt werden und dieser ggfs. außer Dienst gestellt werden. Zumal sich ja wie sie schon öfters bemerkten ein Zusammenspiel von Behörden und Gutachter, das ja doch auch illegal wäre, zu beobachten ist. Schaden gegenüber des Kunden liegt ja vor.

    Es gibt noch unbeantwortete Kommentare in der Rubrik SEEDS

  • #3

    Schüller (Dienstag, 26 Juni 2018 14:21)

    Eignung des Gutachters? Bei den Gutachtern ist das mit der Eignung so eine Sache. Durch die Annahme, man stehe über den Dingen, wird fehlendes Sachwissen überspielt. Ein Effekt, den man im Fahrerlaubnisrecht wie unter dem Brennglas beobachten kann.

    Dieses Phänomen ist als Kompetenzillusion bekannt, es war u.a. Gegenstand von Forschungen des Nobenlpreisträgers Daniel Kahnemann.

    Ein ziemlich guter Aufsatz über das Thema findet sich hier (Martin Retten- berger und Reinhard Eher: Potenzielle Fehlerquellen bei der Erstellung von
    Kriminalprognosen, die gutachterliche Kompetenzillusion und mögliche Lösungsansätzefür eine bessere Prognosepraxis, R&P (2016) 34: 50–57)

    "Ausgehend von der seit Jahrzehnten
    hinlänglich bekannten Tatsache, dass insbesondere intuitive
    und erfahrungsbasierte Prognosegutachten Trefferquoten
    erzielen, die kaum über dem Zufallsniveau liegen, werden
    kurz die kognitiv-psychologischen Grundlagen erörtert, die für
    die mangelnde Prognosequalität (mit-)verantwortlich sind und
    gleichzeitig zu dem unerschütterlichen Glauben an die Fähigkeit
    menschlicher Intuition beitragen. Dieser zuletzt genannte allgemeinpsychologische
    Mechanismus, der im Bereich der psychologischen
    Literatur unter anderem auch als »Kompetenzillusion«
    bezeichnet wird, führt zu einer generellen Überschätzung der eigenen
    diagnostischen und prognostischen Fähigkeiten und trägt
    entscheidend dazu bei, dass wissenschaftlich fundierte (Weiter-)
    Entwicklungen im Bereich der internationalen forensisch-kriminologischen
    Forschung immer noch zu wenig in der alltäglichen
    Begutachtungspraxis angenommen werden. Nichtsdestotrotz
    schließt der vorliegende Beitrag mit einer kurzen Darstellung
    möglicher Lösungsansätze, anhand derer die Prognosepraxis
    verbessert werden könnte."

    Spannendes Thema allemal. Das Problem ist nicht, dass wir als Menschen zu Fehlern neigen. Das Problem ist die aufgrund von Stolz und Sturheit fehlende Sensibilisierung hinsichtlich des Eingestehens eigener Fehler. Ein einfaches "Sorry, das war ein Fehler, dafür entschuldige ich mich, ich werde versuchen, das künftig besser zu machen" würde ja reichen.

    Kompetenzillusion ist kein Thema, welches geeignet ist, die geneigte Leserschaft der Feuilleton der FAZ mit neuen Absurditäten zu versorgen. Es ist ein dickes, fettes Problem. Man muss sich nur in der Politik umschauen, dass eben diese Kompetenzillusion (das zu starke Anhaften an den Glauben an die eigenen überschätzten Fähigkeiten) echten Krankheitswert hat und im Zweifel zu hochtoxischen Problemlagen führen kann. "Wir schaffen das" ist wohl das aktuellste Beispiel dafür. Ob nun im Großen oder Kleinen:

    Zu starke Anhaftung an das vermeintliche eigene Können für zu einer Verengung des Blickwinkels. Man verliert den Blick von oben auf die Dinge, die Fähigkeit zum relativierenden Blick und zur Neutralität.

    Letztlich geht es dabei um einen Wirkzusammenhang, den nur wenig verstanden haben: Dem Zusammenhang zwischen Anhaftung und Raum im Kopf. Jeder enger ich an einer Sache, Annahme, Person oder was auch immer anhafte, desto relativ enger wird der Raum im Kopf, aus dem andere, bessere Dinge entstehen können. Deshalb beobachtet man so oft verhärtete Fronten, wo man mit weniger Anhaftung einfach Lösungen finden könnte.

    Es ist aber eine zutiefst deutsche Qualität, erhaben und besserwisserisch mit den Finger auf andere zu zeigen. Ob das nun die Gartenhecke des Parzellennachbarn, die divergierende Meinung in politischer Hinsicht oder eben fahrerlaubnisrechtliche Fragen sind, ist im Kern Banane. Dahinter steckt immer derselbe fatale psychologisch Wirkmechanismus.

    Gutachter außer Dienst stellen? Hören Sie auf zu träumen, guter Mann.

    Wenn man sowas offen schreibt, kommen sehr oft böse Anwaltsschreiben der Gutachterstellen, die es diffamierend finden, wenn man mal Klartext redet.

    Oder die Leiter der betreffenden Stellen rufen an und brüllen einem ins Telefon, dass man selber ein inkompetenter Anwalt sei und man sich meinen Ton auf´s schärfste verbietet.

    Bei Kompetenzillusionen ist das wie im Leben: Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd.

    Je krasser die Gegenreaktion, je höher die Wahrscheinlichkeit des Treffers. Wer lässt sich schon gerne seine Illusionen kaputt machen.

    Nichts desto trotz: Die PIMA ist und bleibt trotz dieses krassen Falles noch einer der besseren Ansprechpartner und hier besteht wenigstens noch die Neigung, Gutachten überhaupt zu überarbeiten.