Rechtsanwalt und Strafverteidiger

 

Björn Schüller

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Der Punk geht ab beim Landratsamt Enzkreis: Trennungsvermögen fehlt angeblich bei 10 ng/ml THC COOH und unter 1,0 ng/ml THC. Oder: Auf so einen Unsinn muss man

Das Landrats Enzkreis hat ein ärztliches Gutachten bei einem Mandanten angeordnet. Der hatte doch glatt 10 ng/ml THC COOH im Blut. THC wurde auch gemessen, aber unter 1,0 ng/ml. Ergo konnte der unbescholtene Mann sauber trennen zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines KfZ. Denn wir wissen: Trennungsvermögen fehlt ab Werten von 1,0 ng/ml THC. Manche sagen 3,0 ng/ml, aber lassen wir das. Im Kern ist das eine ausgelutschte Sache.

 

Vermutlich um hier mal die Gleichförmigkeit mal etwas zu torpedieren und Stimmung in die Bude zu bringen, hat sich das LRA Enzkreis dann was feines ausgedacht:

 

Das Trennungsvermögen fehlt aus Sicht der Behörden wegen 10 ng/ml THC COOH. Im Einzugsbereich dieses Landratsamts dürfte damit wohl auch die Fahrt unter der "Wirkung" von THC Metaboliten zu schweren, ja geradezu erdrückenden, in keinster Weise hinnehmbaren Eignungszweifeln führen. Die Metaboliten wirken zwar eigentlich nicht, aber wer wird denn so spießig sein, dieser fulminanten Rechtsfortbildung, diesem Ausbruch aus gewohnten Bahnen, diesem sich Freikämpfen die Anerkennung zu verwähren? Das ist Rebellion! Punk! Die Welle der Reaktion spült jetzt durch manche Amtsstube und der gemeine Kiffer kann sich ein Ei drauf pellen, was etwa das Bundesverwaltungsgericht dazu sagt.

 

Und dann liest man weiter, dass der Schwellenwert von 1,0 ng/ml THC nicht erreicht wurde.

 

Wir haben es also mit dem seltenen verwaltungsrechtlichen Paradoxon zu tun: Dem fehlenden Trennungsvermögen bei gleichzeitigen Trennungsvermögen. Ist das Quantenmechanik? Sind die Regeln der Physik im Bannkreis des Enzkreises außer Kraft gesetzt? Handelt es sich um einen Fall für den nachtigallerschen Unmöglichkeitsschlüssel?

 

Ich schweife ab, aber das ist vollkommen in Ordnung, denn Realitäten zählen hier offenbar nichts mehr! Wer soll bei dieser Komplexität noch den Überblick bewahren. Eine Welt versinkt im Chaos. Brexit, Trump waren abzusehen - aber wenn der fleissige Schwabe den Überblick verliert, dann steht schlimmes zu befürchten. Was für ein Drama!

 

Dazu darf man dann auch schon mal was ausführen, was einigermaßen deutlich ist. Ein Fax folgenden Inhalts landete dann in der Amtsstube:

 

 

"Bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom 02.02.2017 (Anordnung eines ärztlichen Gutachtens) trage ich wie folgt vor:

 

Die Anordnung des ärztlichen Gutachtens ist rechtswidrig. Selbst ein nachgewiesener gelegentlicher Konsum von Cannabis ohne Zusammenhang und Verknüpfung mit der Teilnahme am Straßenverkehr und ohne das Hinzutreten „weiterer Umstände“ rechtfertigt keine Aufforderung, sich einem Drogenscreening zu unterziehen oder sich fachärztlich untersuchen zu lassen (BVerwG, DAR 2001, 522 f.; NJW 2002, 78 ff.).

 

Die Anordnung einer Behörde, ein Screening oder ein ärztliches Gutachten beizubringen, verstößt bei fehlenden „weiteren Umständen“ (wie z.B. fehlenden Trennungsvermögen) nur dann nicht gegen das Übermaßverbot und gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht, wenn aussagekräftige Anzeichen für den Verdacht bestehen, dass ein Betroffener regelmäßig (also nicht nur gelegentlich oder einmalig) Cannabis konsumiert hat (BVerfG v. 20.06.2002, NJW 2002, 2378 ff., BVerwG).

 

Ein fehlendes Trennungsvermögen liegt hier nicht vor. Ein gelegentlicher Konsum ist mit dem THC COOH Wert nicht erbracht, geschweige denn lässt sich hieraus selbst bei extensiver Interpretationsarbeit ein Dauerkonsum befürchten.

 

Dazu zitiere ich gerne die Ausführungen eines Beamten aus einer Fahrerlaubnisbehörde in Mecklenburg-Vorpommern, die dem Unterzeichner in anderer Sache mitgeteilt wurden und einer objektiv an wissenschaftlichen Standards orientierten Sichtweise entspringen:

 

Maßgeblich ist für die Feststellung der Gelegentlichkeit des Cannabiskonsums auf die Konzentration des sich nur sehr langsam abbauenden wirkungsfreien Metabolits Carboxy-THC (=THC COOH) abzustellen (Daldrup u.a., Blutalkohol Band 37, 2000, S.41).

 

Die Menge des in einer Blutprobe vorgefundenen Abbauprodukts eignet sich jedoch nur dann dazu, den Nachweis eines gelegentlichen Konsums zu führen, wenn die beim Betroffenen festgestellte Konzentration die Größenordnung überschreitet, die bei einmaliger Aufnahme nach weitestgehender Auffassung erreicht werden kann.

 

Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Zum Aussagegehalt des THC COOH Wertes hat der Bayerische VGH in seinem Beschluss vom 16.08.2006 – 11 Cs 05.3394 – (vgl. auch OVG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 13.12.2004, 4 8206/04, BA 43/2006 S. 161 f.; VG Stuttgart, Beschluss v. 27.07.2006 – 10 K 1946/06, juris u.a.) auf der Grundlage zu diesem Zeitpunkt vorliegender neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse u.a. ausgeführt, dass ab einem THC COOH Wert von 100 ng/ml Blutserum von einem gelegentlichen Konsum ausgegangen werden kann ( so auch OVG M-V, Beschluss vom 19.12.2006 – 1 M 142/06). Diesen Wert hat der Widerspruchführer mit festgestellten THC COOH Wert von 64 ng/ml nicht überschritten. Damit ist das Tatbestandsmerkmal des gelegentlichen Konsums nach Nr. 9.2.2. Anlage 4 FeV also noch nicht als erfüllt anzusehen (vgl. auch Bayerischer VGH v0m 18.04.2016, AZ 11 ZB 16.285).“

 

Sie haben hier deshalb davon auszugehen, dass es sich um einen einmaligen Konsum handelte, der keinen Bezug zum Straßenverkehr hatte, denn der Wirkstoff THC war bereits zu THC COOH metabolisiert.

 

Aber selbst ein unterstellter gelegentlicher Konsum rechtfertigt nicht die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens oder auch nur eines Screenings, wenn wie hier die im Rahmen von § 81 a Abs.1 StPO i.V.m. § 46 Abs.4 OWiG gemessene THC Wert unter 1,0 ng/ml lag (Wehowsky, BA 2006, 125 ff.; Albrecht SVR 2005, 81 ff.).

 

Sie schreiben dann logisch nicht nachvollziehbar:

 

Durch das oben genannte chemisch-toxikologische Gutachten steht fest, dass Sie nicht in der Lage sind den Konsum des Betäubungsmittels und das Führen eines Kraftfahrzeugs zu trennen“.

 

Mit Verlaub: Ein THC COOH Wert von 10 ng/ml begründet nicht das fehlende Trennungsvermögen. Fehlendes Trennungsvermögen liegt vor, wenn der aktive THC Wert mindestens 1,0 ng/ml beträgt.

 

Dann schreiben Sie weiter:

 

Da es in Ihrem Fall -nach jetzigen Kenntnisstand- jedoch keinen Hinweis auf einen gelegentlichen Konsum gibt und zudem der Schwellenwert von mindestens 1,0 ng/ml THC nicht erreicht wurde, fehlt es an der notwendigen Voraussetzung für einen sofortigen Entzug der Fahrerlaubnis.“

 

Ich fasse Ihre Worte zusammen:

 

  1. Es steht wegen des Gutachtens fest, dass der Mandant nicht zwischen Konsum von BtM und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen kann – wegen 10 ng/ml THC COOH.

  2. Der Schwellenwert von 1,0 ng/ml THC wurde aber nicht erreicht.

  3. Es gibt keinen Hinweis auf den zumindest gelegentlichen Konsum.

 

Was Sie schreiben, ist Unsinn. Sie widersprechen sich selber, begründen fehlendes Trennungsvermögen zunächst grob falsch mit einem sehr niedrigen THC COOH Wert und verneinen dann eben dieses Trennungsvermögen indirekt, indem Sie selber feststellen, dass der Schwellenwert von 1,0 ng/ml THC nicht erreicht wurde.

 

Darüber hinaus ist Ihre Anordnung: „Sollte ausschließlich Cannabis konsumiert worden sein, so ist zusätzlich die Frage zu beantworten, ob von einem regelmäßigen oder gelegentlichen Konsum auszugehen ist.“ unzulässig, denn auch dann kann es sich um einen Probierkonsum gehandelt haben.

 

Ihre Fragestellung (so rechtswidrig sie auch ist): „Ist das Konsumverhalten von Herrn X als einmalige oder gelegentliche oder regelmäßige oder gewohnheitsmäßige Einnahme von Cannabis zu bezeichnen?“ beantwortet doch die Zusatzfrage gleich mit.

 

Sie stellen selber richtig fest: Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist eine einschneidende Maßnahme. Sie greift tief in die Grundrechte ein. Und auch die Begutachtung greift in diese ein. Man darf deshalb erwarten, dass Sie sich bei der Begründung Ihrer Maßnahmen Ihrer Verantwortung bewusst werden und nicht freischwebend im Raum solche Dinge zum Besten geben, wie in Ihrem Schreiben vom 02.02.2017.

 

Ich habe Sie deshalb aufzufordern, dass Fahrerlaubnisverfahren gegen meinen Mandanten sofort einzustellen und mir hierüber Mitteilung zu machen. Angesichts der klaren Rechtslage gehe ich nicht davon aus, dass meine Auffassung noch im Rechtsmittelverfahren weiterer Bestätigung bedarf. Das ist inakzetabler Pfusch und das wird nicht auf den Rücken meines Mandanten ausgetragen werden.

 

Erhebliche Bedenken an der Eignung bestehen hier allenfalls aus Ihrer Sicht. Mit der objektiven Rechtslage aufgrund der chemischen Befunde haben diese Bedenken aber nichts zu tun.

 

Ich erwarte, dass Sie dieses Schreiben Ihrem Behördenleiter Herrn Landrat Karl Röckinger vorlegen für den Fall, dass Sie an Ihrer Aufforderung zum äG festhalten. Zudem würde ich gerne eine Einschätzung des Leiters der Fahrerlaubnisbehörde zu der Sache hören. Ich habe nämlich ganz erhebliche Bedenken, dass Sie die Prüfsystematik in Sachen THC und Fahrerlaubnis richtig verstanden haben."

 

Irgendwo muss auch mal Schluss sein mit Verwaltungshandeln im luftleeren Raum und mit grundloser Schikane. Mal ehrlich: So eine Ansage seitens der Behörde ist eine Frechheit und man fragt sich echt, wie man sowas fabrizieren kann.

 

Update:

 

Die Fahrerlaubnisbehörde hat das Fahrerlaubnisverfahren eingestellt. Angeblich hat sich der Fehlerteufel eingeschlichen und klar: Der Mandant hätte sich nur selber melden müssen und die Anordnung des ärztlichen Gutachtens wäre sofort zurück genommen worden. Natürlich wäre sie das, wer hegt denn daran Zweifel? Ein Schelm, der Böses dabei denkt....immer der Stress mit den Textbausteinen...überhaupt: Textbausteinspielereien mit Schicksalen finde ich irgendwie ungeil...aber das kommt öfter vor, als man denkt oder besser: Glaubt.

 

 

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Kommentare: 7
  • #1

    Mueller (Mittwoch, 22 Februar 2017 19:37)

    Es geht doch eindeutig darum das der betroffene THC Konsumiert ergo zum führen von KFZ nicht geeignet ;-)

  • #2

    Rechtsanwalt Schueller (Donnerstag, 23 Februar 2017 11:25)

    Schueller@ Mueller: Genauso denkt die Behörde auch...aber ganz so einfach ist es dann doch nicht

  • #3

    Aline Khalil (Dienstag, 11 April 2017 10:53)

    Hallo Herr Schüller, gerade erst gelesen. Erstklassige Zeilen!

  • #4

    Peter Jansen (aus NL) (Montag, 24 April 2017 12:43)

    Gerade gelesen. Ich bin Holländer, fahre aber manchmal in Deutschland. Ich habe ein Paar Fragen....

    1. Bei Verkehrskontrollen, ist ein THC-Speicheltest für alle Fahrer, oder ist das nur bei Verdacht (wenn der Polizist vermutet das den Fahrer under Einfluss ist) ?

    2. Wie ist die THC-Speichel Grenzwerte in Deutschland?

    3. Wenn zu hoch ist, muss das Blut undersucht werden, stimmt? Was ist kluger (für einen Turisten), mitarbeiten oder verweigern?

    Danke!

  • #5

    Rechtsanwalt Schüller (Mittwoch, 26 April 2017 14:47)

    @Peter: Der Rest wird bei Verdacht durchgeführt, aber das geht schnell. Irgendwas findet die Polizei meistens, um einen Verdacht bejahen zu können.

    Es gibt keinen Speichelgrenzwert, die Spreichtests zeigen keine Werte an sondern nur positiv oder negativ. Der wichtigste Grenzwert für THC ist 1,0 ng/ml THC - das ist sehr wenig. Dann musst Du mindestens 500 Euro Strafe zahlen...verweigern ist immer besser, aber trotzdem werden die das Blut abnehmen. Wenn man das aber freiwillig machen lässt, hat man hinterher keine Chancen zur Verteidigung vor Gericht....

  • #6

    Peter Jansen (aus NL) (Montag, 01 Mai 2017 15:32)

    Danke sehr, herr Schüller.

  • #7

    Kampfsportler (Samstag, 20 Mai 2017 00:21)

    Ich denke, die hiesige Behörde hätte erstmal geschrieben, dass es nicht möglich ist, gegen die Aufforderung Rechtsmittel einzulegen, weil es sich... (verkürzt) ... nur um eine vorbereitende Maßnahme handelt, keinen Verwaltungsakt.
    Bei der Leiterin, wäre die Sache dann gestorben:-)
    (Naja, wenigstens wenn er es alleine versucht hätte)