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Behördliche Taschenspielertricks: Über die Wahrscheinlichkeit, gleich beim ersten mal Kiffen in eine Kontrolle zu geraten - Vermutungen gegen mathematische Logi

Behörderliche Wahrscheinlichkeitstricks im Fahrerlaubnisrecht oder: Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt

 

Wie sicherlich allgemein bekannt sein dürfte braucht es für einen Verlust des Führerscheins wegen des Konsums Konsums von Cannabis zunächst den (immer noch gültigen) Grenzwert von 1,0 ng/ml THC UND den zumindest gelegentlichen Konsum (mindestens 2 x, Rauschfahrt zählt mit).

 

Nur zu gerne beschäftigten sich im Lauf der letzten Jahrzehnte zahlreiche Chemiker, Toxikologen und Juristen sowie Verwaltungsbeamte (unter letzteren einige der letzten Vertreter der Gattung der Universalgelehrten, wenn auch nur in der eigenen Wahrnehmung) mit der Frage, ab welchem THC COOH Wert denn nun ein zumindest gelegentlicher Konsum anzunehmen sei.

 

Nur so viel sei verraten: Das Gebiet ist total umstritten und nach wie vor gibt es Leute, die behaupten, ab 10 ng/ml THC sei dies der Fall (so gerne in NRW)...aber es gibt auch zahlreiche sehr ernstzunehmende Stimmen die besagen, dass unter 100 ng/ml und teils sogar noch bis 120 ng/ml THC COOH eigentlich keine klare Aussage getroffen werden kann in der Frage, ob das nun von einem einmaligen oder mehrfachen Konsum kommt.

 

Sprich: Die Nachweisbarkeit des zumindest gelegentlichen Konsums über den THC COOH Wert ist mächtig ins Wanken geraten und das hat sich bis in die Fahrerlaubnisbehörden rumgesprochen.

 

Wenn aber das Lieblingskind jetzt in den Brunnen gefallen und viele Prozesse seitens der Behörden deshalb verloren wurden, war klar:

 

Es musste ein neues Spielzeug her!

 

Und da hatten die blitzgescheiten Damen und Herren eine wirklich tolle Idee:

 

So wurde schlicht behauptet (und das liegt voll im Trend!), dass es absolut unwahrscheinlich sei, gleich nach dem ersten Konsum von Cannabis in eine Polizeikontrolle zu kommen. Auch wegen der einfach mal generell angenommenen geringen Kontrolldichte im Verkehr.

 

Deshalb sei ohne expliziten Vortrag des Betroffenen, es habe sich um einen Probierkonsum gehandelt (unter möglichst exakter Angabe der Umstände! Überspitzt gesagt fehlt nur noch, dass gefragt wird, ob mit OCB oder Rips gedreht wurde), der gelegentliche Konsum belegt.

 

Und noch pfiffiger:

 

Wird dann dieser Einmalkonsum vorgetragen, so sagen zB Richter in Schleswig Holstein, dass diese Aussage nicht im Eilverfahren überprüft werden könne sondern es im Hauptverfahren (in einem Jahr oder sonstwann) geprüft werden müsse, ob das eine Lüge sei oder der Wahrheit entspricht. Mit anderen Worten heißt das:

 

Jedes Eilverfahren, bei dem Einmalkonsum vorgetragen wird, ist bereits jetzt verloren, wenn man es denn mit der betreffenden Kammer im betreffenden Gericht zu tun hat.

 

Ganz schön schlau zuweilen, die Vertreter der richterlichen Zunft. Aber ist das noch Recht?

 

Man merke sich also:

 

Wir denken uns mal irgendeine unwissenschaftliche Theorie aus und drehen dann mal eben so die Beweislast Richtung Betroffenen. Das ist schon ein ziemlich starkes Stück und ziemlich dreist.

 

Da schreit irgendwas in jedem logisch denkenden Menschen, da mal nachzuhaken.

 

Warum? Weil es auch noch wirkliche Wissenschaft gibt. Und sich Unfug daran messen lassen muss. Egal ob es nun um Christi Himmelfahrt, Laufen über Wasser oder das durchsichtige Ei des Kolumbus im Fahrerlaubnisrecht geht.

 

Aber auch logische Erwägungen sprechen gegen die Behörden:

 

 

 

Wenn die Wahrscheinlichkeit, gleich beim ersten Konsum von Cannabis in eine Verkehrskontrolle zu geraten, so verschwindend gering sein soll, warum wurde dann in den vergangenen Jahrzehnten soviel Arbeit in toxikologische Fragen hinsichtlich des Abbauverhaltens des THC COOH gesteckt? Wozu dann all die Gerichtsurteile, die genau die Frage zum Gegenstand hatten, ab welchen Wert ein zumindest gelegentlicher Konsum anzunehmen ist? Bloß aus Forschertrieb? Hatten die sonst nichts zu tun?

 

 

 

Wenn der Stein der Weisen greifbar vor der Nase liegt, sozusagen in strahlender, unübersehbarer und nicht hinterfragbarer Evidenz den Wahrheitsanspruch betreffend, warum, ja warum ist dann nicht bereits früher jemand darauf gekommen? Und hiermit meine ich nicht erst heute, sondern auch schon während der frühen 90er Jahre, als es das Problem mit den Konsummustern ja bereits gab und Cannabis mehr und mehr in der Mitte der Gesellschaft ankam, mit den bekannten Auswirkungen auf den Straßenverkehr.

 

 

 

Wenn der Wahrheitsanspruch an die Wahrscheinlichkeitsvermutung auch nur annähernd so hoch wäre, wie vorgegeben, dann wiederum wäre es doch sehr wahrscheinlich (eher sicher!) gewesen, dass auch schon vor dem Zeitpunkt, als das ganze THC COOH System wissenschaftlich ins Wanken geriet, sich jemand dieses nur vermeintlich überzeugenden Arguments bedient hätte, wenn auch nur, um sich lästige Diskussionen mit Gutachtern und Juristen vom Halse zu halten.

 

 

 

Wenn etwas wirklich evident und klar ist, müssen sich nicht erst Heerscharen von Juristen und forensischen Toxikologen mit scheinbar nebensächlichen Fragen wie dem THC COOH Wert und den daraus sich ergebenden Konsummustervermutungen beschäftigen, wo doch das Ei des Kolumbus schon längst gefunden ist oder hätte zwingend gefunden werden müssen - rein vom Wahrscheinlichkeitsstandpunkt her betrachtet.

 

 

 

Das Argument mit der Wahrscheinlichkeit war schon damals bekannt.

 

 

 

Sehr wahrscheinlich war es das jedenfalls, denn das massenhafte Übersehen dieser -laut neuerer Auffassung mancher Behörden und Gerichten- scheinbar an Wahrheit grenzenden und v.a. doch so prozessoptimierenden Theorie wäre bei der verblüffenden, sich geradezu jedem klar denkenden Menschen aufdrängenden und logisch stringenten Wahrscheinlichkeitsmutmaßung doch praktisch hoch unwahrscheinlich.

 

 

 

Genauer gesagt unmöglich. Es sei denn, die Juristen und Toxikologen wären jahrzehntelang blind auf dem Auge gewesen, dass für Logik zuständig ist. Oder hatten einen Spiel- und Forschertrieb dahingehend, einfache Dinge zu verkomplizieren, eine Vorliebe für die toxikologische Haarspaltereien anstatt sich des Messers zu bedienen, dass geeignet war, den gordischen Knoten mit einem Hieb zu spalten, welches sich zu dem direkt vor der Nase befand. Soviel Aktionismus bei der Beschaffung eigener Aufgaben traue ich aber selbst den Fahrerlaubnisbehörden nicht zu (und die sind schon ziemlich kreativ in der Hinsicht!).

 

 

 

Noch unwahrscheinlich sogar, als bei der ersten Rauschfahrt mit Cannabis gleich in eine Polizeikontrolle zu geraten jedenfalls. Es wäre eine geradezu als wissenschaftliche Sensation zu feiernde, im ewigen Ranking der Negierung evidenter Tatsachen jedenfalls weit oben agierende Sache gewesen (nicht ganz so wie die ewige Nummer eins mit der Erde als Scheibe, aber auf jeden Fall einen gesicherten Mittelfeldplatz belegend), die kaum mehr mit Fahrlässigkeit oder Leichtfertigkeit zu erklären wäre. Was ist denn nun wahrscheinlicher? Als Erstkonsument in eine Fahrzeugkontrolle mit positiven Drogentest zu geraten oder die Reihenerblindung in logischer Hinsicht, die (einem biblischen Wunder gleich) in eine Reihenheilung umschlug just in dem Moment als klar wurde, dass der THC COOH Wert zum Nachweis bestimmter Tatbestandsvoraussetzungen weitgehend ausgedient hat. Da treffen aber auch ein paar echt unwahrscheinliche Dinge aufeinander. Sonderbarerweise.

 

 

 

Logik kann man sich nicht entziehen. Wer vor diesem Hintergrund die Sache in die Nähe eines festen Glaubenssatzes verortet, handelt hochgradig ambivalent und handelt selektiv vom Ziele her.

 

 

 

Die Erde ist keine Scheibe. Jedenfalls nach meinem Kenntnisstand.

 

Gut. Das ist meine Meinung. Ich bin aber ein mathematischer Ausfall und habe deshalb mal Kontakt mit einem Professor (Mathematiker, Fachgebiet Wahrscheinlichkeitsrechnung, TU Berlin) aus Berlin aufgenommen und ihn mal befragt, was er so davon hält. Und der sagte folgendes:

 

 

 

 

Sei in einem gegebenen Jahr, sagen wir, in 2015, X die Anzahl der Male, die eine gegebene (=gelegentlicher Konsumt, Anm. des Unterzeichners) erwischte Person kifft, und sei E das Ereignis, dass sie erwischt wurde. Die Person, für die E eingetroffen ist, sagt, sie sei eine mit X=1, und die Behörden sagen, dass das (also die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass X=1 gegeben, dass E eintrifft) ein so seltenes Ereignis sei, dass man sagen könne, das passiert praktisch nie, und daher brauche man das nicht zu glauben. Der Grund ist vielleicht, dass jemand mit höherem X auch höhere Wahrscheinlichkeit hat, erwischt zu werden. Anders gesagt, bedingt auf das Ereignis E, ist die Verteilung von X anders als sonst, und zwar sind höhere Werte von X dann wahrscheinlicher als geringe.

Das ist meiner Meinung nach das gleiche Prinzip wie die berühmte Geschichte mit der Umfrage auf dem Schulhof, die herausfinden möchte, wieviele Kinder eine Familie durchschnittlich hat: Man fragt jedes Kind, wie viele Brüder und Schwester es hat. Aber auf diese Weise bekommt man für jede Familie mit X Kindern auch X Mal diese Antwort. Wir sprechen da von einer Size-biased Verteilung statt der eigentlich gewünschten.

Aber ich bin der Meinung, dass dieser Effekt bei weitem nicht so stark ist, dass man von einer verschwindenden Wahrscheinlichkeit sprechen kann, dass eine erwischte Person den Wert X=1 hat.

 

 

 

Nehmen wir an, die Wahrscheinlichkeit für X=k ist ein p_k (das ist ein Index, also pk. Dann haben wir also für jeden Wert von k (also k=1,2,3,4,...) die Wahrscheinlichkeit, dass ein gegebener Kiffer exakt k Mal im Jahr kifft. Zum Beispiel ist p2 die Wahrscheinlichkeit, dass ein gegebener Kiffer (egal, ob erwischt oder nicht), genau zweimal im Jahr kifft. Die vielen Leute mit k=0 (also die Nichtkiffer) habe ich weggelassen, genauer gesagt, ich habe sozusagen vorausgesetzt, dass wir nur von Kiffern reden, also dass die Summe von p_1,p_2,p_3,...$ gleich Eins ist) , dann wird jede Person mit X=k im Durchschnitt auch k Mal so oft erwischt wie eine mit X=1, also ist die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass X=k ist unter der Voraussetzung, dass sie erwischt wird, gleich k p_k, geteilt durch die Summe S= p_1 + 2p_2 + 3 p_3+ 4 p_4+ ....

 

 

 

Insbesondere ist dies für k=1 nach meiner Einschätzung nicht exorbitant viel kleiner als die bedingte Wahrscheinlichkeit für X>1 (also gelegentliche Kiffer), gegeben, dass sie erwischt wurde. Man vergleiche p_1/ S mit 1-p_1/S, also mit (2p_2 + 3 p_3+ 4 p_4+ ...)/(p_1 + 2p_2 + 3 p_3+ 4 p_4+ ...); ich glaube nicht, dass p_1/ S furchtbar klein ist.

Aber alles hängt davon ab, wie die Verteilung der Anzahl der Male, die ein gegebener Kiffer kifft, einzuschätzen ist, und so etwas kann man nur ganz grob schätzen. Ich würde sagen, dass die Wahrscheinlichkeiten p_1, p_2,p_3,...,p_{20} alle von der gleichen Größenordnung sein sollten, und die anderen alle fast Null. Nehmen wir also an, dass diese alle gleich 1/20 sind, dann ist nämlich
S=(1+2+3+4+...+20)/20, und das ist ungefähr 10. Der Effekt, auf dem die Argumentation basiert, ist also der Faktor 1/10. In diesem Zahlenbeispiel wäre die Ws, dass ein erwischter Kiffer nur ein Mal pro Jahr kifft, gleich 1/200. Aber hier habe ich angenommen, dass sowieso nur jeder zwanzigste Kiffer ein Einmalkiffer ist; ist das realistisch?

 

 

 

Um all diese p_k einschätzen zu können, müsste man eigentlich erst mal Umfragen machen oder irgendwie anders Datenmaterial erheben, sonst hängt das alles in der Luft. Wenn ich wissen will, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein gegebener erwischter Kiffer soundso oft im Jahr kifft, muss ich doch erst mal wissen, wie oft die Leute im Durchschnitt kiffen. Kann ja sein, dass dann herauskommt, dass praktisch niemand nur einmal kifft (also dass alle, die einmal kiffen, es dann auch mehrere Male machen). Wenn so etwas bekannt wäre, könnte man ja alleine deshalb schon sagen, das ein Erwischter mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Mehrfachkiffer ist. Dann kommt noch der Size-biasing-Effekt hinzu.“

 

 

Cool. Das bedeutet: Um eine Antwort auf die Frage nach der Wahrscheinlichkeit zu kriegen, brauchen wir Zahlenmaterial zu folgenden Fragen (nicht nur bloße Vermutungen wie bis dato!):

 

 

Ist nun nur jeder zwanzigste Kiffer Einmalkiffer? Oder womöglich nur jeder fünfte? Oder nur jeder zweite?Jeder kennt doch Leute, die nur ein, zweimal geraucht haben und es dann gelassen haben. Das sind nicht wenige.

 

So sicher wie die Behörden hier auftreten, scheint ja entsprechendes Zahlenmaterial vorzuliegen und genau da melde ich mal gehörige Zweifel an und habe in mehreren Verfahren um Auskunft und Nachweis gebeten...bin gespannt, mit welcher Teflontaktik dieses mal argumentiert wird.

 

 

 

Klar ist:

 

Ohne Zahlenmaterial fehlt die Bezugsgrundlage für eine Wahrscheinlichkeitsberechnung, die wissenschaftlich nachvollziehbar ist, sonst ist alles in der Schwebe und pi mal Daumen plus eigene angemaßte Sachkpompetenz in mathematischen Dingen kann und darf nicht Grundlage eines Eingriffs auch in die Grundrechte sein. Wenn dem so wäre, könnte man gleich komplett darauf verzichten, Sachverständige zu hören und sich künftig alles irgendwie zurechtzuschustern.

 

Wäre doch die logische Konsequenz. Bis dato war das so: Einer hat sich den Quatsch mit der Wahrscheinlichkeit ausgedacht und ein Gericht hat es übernommen. Nun wird immer gesagt: Quelle Gericht XY. Ein falscher Ansatz wird aber nicht dadurch richtig, dass er von vielen Gerichten offenbar kritiklos übernommen und durch gegenseitige Querverweise scheinbar aufgewertet wird.

 

Es ist schon interessant, mit welchen Mitteln hier versucht wird, an das gewünschte Ergebnis zu kommen. Oder wird doch nur wieder vom Ergebnis her gedacht? Den Eindruck könnte man manchmal gewinnen.

 

Ich werde hier mal in Kürze zum Besten geben, wie die Gerichte und Behörden sich rausgewunden haben aus diesem Beweisproblem und ich bin sicher: Es wird wieder ein argumentatorisches Kuriositätenkabinett...

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